2025 Juley Chronik der Vagabunden Renis – Salinenfest zu Rheine
2025 Juley Chronik der Vagabunden Renis – Salinenfest zu Rheine

2025 Juley Chronik der Vagabunden Renis – Salinenfest zu Rheine

Es war an einem Tage, der hell begann und doch bereits im Schatten der Vorahnung stand, als der Tross der Vagabunden in Rheine Einzug hielt. Und was dort aufrollte, war kein gewöhnlicher Anblick. Nein – es war ein Spektakel aus Holz, Eisen und Hufschlag: Fünf doppelte Kutschen, sechs einzelne Gefährte und drei stolze Pferde bahnten sich donnernd ihren Weg über das Salinengelände. Es war kein Lageraufbau – es war eine Landung. Eine Invasion. Eine logistische Offenbarung. Die Umstehenden staunten, Kinder vergaßen das Atmen, Hunde bellten aus Ehrfurcht. Und wir? Wir spannten die Seile, warfen die Planen, und ließen das Lager aus dem Boden wachsen wie eine Festung der Alten.

Natürlich blieb das Chaos nicht fern. Beim Abladen kam es, wie es kommen musste: ein kleiner Moment aus Kistenwirrwarr, Zeltstangen und wildem Herumgekurve – ein Durcheinander, wie es sonst nur in den Gedichten über Ragnarök geschildert wird. Doch, wie der Jarl zu sagen pflegt: „Ein Genie erkennt man nicht am Plan – sondern an der Art, wie es im Chaos lächelt.“ Und gelächelt wurde viel.

Am Freitag wurde Gyros serviert. Denn was wäre ein guter Freitag ohne das Fleisch des Südens? Traluja kredenzte diesen mit saftige Körnern aus dem Osten, während Knorsten Bermudason sein legendäres Ritterfleisch in den Dopf legte. Und so wurden Bauch und Herz satt – und man ahnte noch nicht, was der Samstag bringen sollte.

Und dann kam der Freitaggabend. Und mit ihm eine Geschichte, die nie wieder vergessen werden darf.

„Vom König Alkohol – und der Geburt des Lager Arne“

Es war, wie es in alten Liedern heißt, ein Abend wie kein anderer. Der Rauch hing schwer, das Feuer sprach in Flammen, und während das Lager sich langsam zur Ruhe bettete, schlich eine kleine Gruppe aus dem Kreis: Arne, der Herzog, Üwey der Grimmige, und Knorsten, Sohn des Bermuda, machten sich auf zu den Tavernen. Vier Männer. Vier Krüge. Eine Absicht, vorbei an Odins Schänke und zur Ratte. Was dann geschah, ist überliefert in Bruchstücken, Augenzeugenberichten und einem besonders aufmerksamen Nachthimmel. Der Jarl lag bereits in Ruhe, als es geschah. Stimmen erhoben sich, wild, durcheinander, laut – doch vor allem: bekannt. „Hast du ihn?“ – „Ich hab ihn.“ – „Schwank nicht so!“ Der Arne schwankte. Und wie er schwankte. Sechs Meter von rechts nach links, ein Anblick zwischen Akrobatik und Schiffbruch. Er wollte nicht ins Bett. Er bestand darauf, nicht ins Bett zu wollen. Mit heldenhaftem Trotz stieß er die Worte aus, die seither wie Runen in unsere Herzen gebrannt sind:

„Nöööööö.“

„Seid doch nicht so.“

„Warum seid ihr jetzt so?“

Der Jarl, geweckt vom Aufruhr, erhob sich wie ein müder Gott aus der Nacht und stapfte durch die Finsternis. Auch der Huscarl – aus dem Schlaf gerissen wie durch einen Feindalarm – war überzeugt, das Lager werde gerade abgerissen. Doch es war nur Arne. Und seine Weigerung zu schlafen. Am Ende stand fest: Noch nie hatte es jemand geschafft, die komplette Führungsriege des Lagers mitten in der Nacht zu mobilisieren – nicht durch Krieg, nicht durch Feuer, sondern durch König Alkohol und den süßesten Trunkenmut, den je ein Vagabund trug. Und so ward beschlossen:

Es braucht eine Trophäe. Einen Preis. Einen heiligen Gegenstand. Sie wird tragen das Antlitz des Arne und den Namen: Lager Arne. Und sie wird dem Lagervollsten verliehen, so lange der Met fließt und das Feuer brennt.

Dann am Samstagmorgen geschah etwas, das selten geworden ist, und doch für Rheine zur Normalität gehörte: Der Jarl selbst schwang sich in die Kutsche und ritt heimwärts. Nicht aus Flucht, sondern im Dienste des Volkes – denn die Vorräte an kühlem Blonden waren gefallen wie Schildträger in der Schlacht. Die Truppe hatte getrunken, als gäbe es keinen letzten Humpen. Am Ende des Wochenendes zählte man 295 leere Flaschen – eine Zahl, die in den Annalen der Renis nur mit dem Wort „Respekt“ kommentiert wird. Und als wäre dies nicht genug der Bekanntheit, brachte uns der Ruhm an jedem Morgen den wohl größten Beweis unserer Berüchtigung: Frischer Kaffee. Jeden Morgen. Nicht aus Pulver sondern aus Bohnen. Mit Kännchen, weil draußen. Einfach so. Weil man es uns zutraute. Und weil man wusste: Lager ohne Koffein ist wie ein Schwert ohne Schneide.

Und während zwischen Feuer, Fleisch und Flausen das Leben tobte, wurde auch das getan, was den Vagabunden stets heilig war: der Kampf geübt. Vom kleinsten Knirps bis zum gestandenen Schildträger, Männer wie Frauen, jeder griff zu Übungsschwert und Schild, als rufe Odin selbst zum Gefecht. Sie wirbelten, schlugen, parierten – nicht im Zorn, sondern in Ehre. Und immer, immer lagen die Blicke der anderen auf ihnen: Gäste, Händler, Spielleute – sie hielten inne, als würden sie die Einherjer selbst am Werk sehen. Und wer da stand und sah, der wusste: Dies war kein Spiel. Dies war Erinnerung. Eine Flamme aus vergangener Zeit, lebendig gemacht durch Schweiß, Stolz und Stahl.

Am Samstagmittag, noch benommen von der Geschichte der Nacht, geschah etwas, das Herzen heilte: Runa und Tippi, bepackt mit Joch und je zwei Eimern, zogen aus, um Wasser zu holen. Das Bild war so rührend, so niedlich, so unerwartet erhaben, dass der gesamte Markt innehielt. Nie wurden mehr Fotos gemacht. Nie wurde mehr geschmunzelt. Der Zucker lag in der Luft wie Blütenstaub.

Und als der Samstagabend sich senkte wie ein schwerer Mantel aus Rauch und Musik, da ward aufgetragen, was selbst Götter hätte schweigen lassen: Fünf ganze Hähne, vom Knorsten und dem Jarl persönlich mit Feuer, Glut und Geduld gezeichnet. Viereinhalb Stunden lagen sie auf dem Rost, drehten sich im Takt des Lagerlebens, und der Duft, der über das Feld zog, ließ selbst müde Schildmaiden wieder aufrecht sitzen. Dazu reichte Tippi seine legendären Eier in Senfsoße, von goldgelber Schärfe und mit Liebe gerührt, begleitet von dampfenden Töften, wie sie nur aus den Töpfen der Alten stammen konnten. Es war kein Mahl – es war ein Opfer an den Hunger selbst, eine Erinnerung daran, dass auch inmitten von Chaos, Kampf und Kater die Kochkunst der Vagabunden unangefochten bleibt.

Am letzten Tag, am Sonntag  dann wurde es kühl. Ein Frösteln durchzog das Lager, und Üwey, der sonst nur Hitze und Glut kennt, warf sich einen leichten Mantel über. Und in diesem Moment, zwischen Bier und Bratfett, zwischen Kräutersuppe und Nebel, ward der Übergangs-Üwey geboren.

Am Abend dampften Rippchen, Kräutersuppe von Traluja und die berühmte Pilzpfanne des Herzogs über den Flammen. Die Rippchen, sechseinhalb Stunden gegart von Arne und dem Jarl, fielen fast von allein in die Münder. Das Lager war satt.

Am Sonntag, als der Regen leise auf Zelte und Köpfe tropfte und das Lager sich in nassem Schweigen auflöste, geschah etwas Seltsames. Während Heringe gezogen, Planen gerollt und Kästen geschleppt wurden, trat Laurenja in Erscheinung – mit einem Blick so wirr wie selten, die Stimme scharf wie ein Falkenschnabel. Sie verteilte Fleißrippchen. Viele. Sehr viele. An jeden, der nicht rechtzeitig flüchtete. Man munkelt, sie sei ein wenig… übermotiviert gewesen.

Doch nicht nur das: Am Vorabend waren grüne Kekse im Umlauf gewesen – kleine Dinger, harmlos im Aussehen, doch voller Magie. Mancher hatte sie gekostet, mancher hatte es bereut, mancher sah den Himmel sprechen. Und Laurenja… Laurenja aß keine, doch sie roch sie. Und das allein schien zu reichen, um ihren inneren Pädagogendämon zu wecken. Ein Wirbelwind in Menschengestalt, bewaffnet mit Fleißrippchen, Worten und dem unerschütterlichen Willen, das Chaos mit Rippchen-Energie zu besiegen. Und so war sie am Sonntag nicht einfach eine Helfende. Sie war die Fleißrippchen-Königin.

Und dann kam der Paukenschlag: Der Huscarl verkündete seinen Ausfall für den nächsten Markt. Doch nicht nur das. Er ernannte Traluja zu seiner Stellvertreterin. Ein Weibsbild als Huscarl – das gab es noch nie. Es wurde gemurmelt. Gezögert. Geblinzelt. Doch der Jarl stellte sich hinter das Wort. Und wenn der Jarl es stützt, dann ist es Gesetz. Wenn auch nur für einen Markt in Norddeich, so wurde es beschlossen, trägt Traluja den Schild des Huskarls.

Da am Sonntag der Regen kam. Er fiel nicht wie Trost, sondern wie Spott. Alles wurde nass. Das Lager fiel in sich zusammen wie ein nasser Traum, und der Jarl nahm alles mit heim, um es dort zu trocknen. Doch da ihn die Pflicht in der kommenden Woche fern der Heimat rief, steht zu vermuten: Das Lager steht noch immer. Unberührt. Im Garten. Wie ein Mahnmal für das, was war. Und was kommen wird.

Denn nun richtet sich unser Blick gen Norden. Nach Norddeich. Nach Nordendi. Dort, wo das Meer die Küste schlägt, werden wir erneut antreten – mit Banner, Flamme und vielleicht dem Lager Arne in der Hand.

Nachtrag: Von Seuchen und Schatten

Doch kaum hatten wir die nassen Reste unseres Lagers geborgen, kaum waren Zelte gefaltet und Pferde ausgespannt, da traf uns das, was kein Schwert, kein Regen, kein Kater vermocht hatte: Ein heimtückischer Virus – schleichend, leise, gnadenlos. Zuerst waren es zwei. Zwei Vagabunden, die leise zu stöhnen begannen. Man hielt es für Müdigkeit. Für Nachhall der Tavernen. Für Knorstens Fleisch vielleicht.

Doch dann… folgten drei weitere. Die Symptome: matt, bleich, fluchend – als hätten sie sich Montezumas Zorn persönlich eingefangen. Oder war es doch die Pest? Es wurde gemunkelt, gezählt, gebetet. Mancher schwor, er hätte schwarze Flecken gesehen. Andere schworen, es sei einfach nur schlechtes Lagerbier gewesen. Doch die Wahrheit war:

Wir waren gefallen – nicht im Kampf, sondern durch den Virus. Zuletzt fiel noch einee. Eine Letzter vorerst, die sich tapfer gehalten hatte, stand plötzlich blass wie Leinwand vor der Zeltplane und flüsterte: „Ich auch.“ So lagen wir darnieder – wie die Sieben von Rheine – geplagt, gezeichnet, aber nicht gebrochen.

Denn so ist es mit den Vagabunden: Wir fallen. Doch wir stehen wieder auf. Vielleicht langsamer. Vielleicht mit Kräutertee statt Met. Aber auf jeden Fall – bereit für Norddeich.

Ein Kommentar

  1. Traluja

    ES WAR WIEDER MAL EIN WUNDERSCHÖNER MARKT.
    MIT VIELEN UNTERSCHIEDLICHEN CHARAKTEREN UND GENAU DAS MACHT ES IMMER SO WUNDERBAR UND EINZIGARTIG.

    ICH FÜHLE MICH GEEHRT UND HOFFE DAS ICH DER AUFGABE GEWACHSEN DIE VOR MIR LIEGEN UM DEN HUSCARL ZU VERTRETEN.

    AUF EIN WUNDERSCHÖNEN MARKT IN NORDDEICH.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert